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Sie war jung, berühmt und ziemlich nah dran, sich umzubringen. Ihr erster Freund war Salvador Dalí, ihren ersten Mann im Bett hatte sie vor der Kamera, ihre erste Ehe mit Frank Sinatra wollte der nach nicht mal zwei Jahren beenden. Und nun, im Jahre 1968, saß sie in einem indischen Ashram am Ufer des Ganges, neben sich John, Paul und George, die Beatles-Songs spielten. Mia Farrow war 23 Jahre alt, und sie hatte eine Entscheidung getroffen: Sie würde sich »eine Aufgabe suchen, die meinem Leben Bedeutung einhauchen könnte«.
Heute ist Mia Farrow Mutter von vier eigenen und zehn adoptierten Kindern, und sie hat drei Millionen Dollar dafür bekommen, daß sie ihre Memoiren schreibt. Schon für 1994 waren sie angekündigt, dann für letzten Herbst. Und wenn sie jetzt fast gleichzeitig in den USA und in Deutschland erscheinen, dann erwarten die Leser Intimes und Böses über Woody Allen und die schmutzige Affäre ihrer Trennung, sie erwarten Enthüllungen über Farrows Ehen mit der Legende Frank Sinatra und dem Dirigenten André Previn.
* Mia Farrow: »Dauer hat, was vergeht«. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach; 416 Seiten; 44 Mark.
Aber das Buch legt vor allem eines bloß: Mia Farrow ist eine Frau, die seit ihrer Kindheit von Schuldgefühlen getrieben wird, eine Frau, die betet, »ein besserer Mensch zu sein«.
Wie verläßlich läßt sich ein Leben beschreiben, das soviel mit der Wirklichkeit zu tun hat wie ein Melodram aus Hollywood? Wie lebenstüchtig ist eine Frau, die sich als Dreijährige sorgt, ihre Unterhosen könnten gesehen werden, während der große John Wayne sie auf einen Stuhl setzt? Und was sagt es über Mia Farrow aus, daß sie als Kind, neben einer Ente, 5 Meerschweinchen, einer Strumpfbandnatter, 2 Schildkröten, einer Krötenechse und einem Schuhkarton voller Käfer, 87 Hamster besaß? Die sie alle »ausgezeichnet« versorgte.
Maria de Lourdes Villiers Farrow ist auf der Suche, seit sie mit neun Jahren ihre Kindheit verloren hat: Damals erkrankte sie an Kinderlähmung. Die Welt sieht sie »immer noch mit denselben Augen wie damals«.
In der Glamourwelt von Hollywood wird sie mit ihren sechs Geschwistern streng katholisch erzogen: Ihre Mutter Maureen O''Sullivan ist die Jane von Johnny Weissmullers Tarzan, ihr Vater John Villiers Farrow ist Filmregisseur und Autor einer Geschichte des Papsttums. Was liegt da näher als der Wunsch, Nonne zu werden? Aber nicht irgendeine Nonne, der strenge Orden der Karmeliterinnen muß es sein.
In England besuchte sie ein katholisches Internat, fasziniert und voller Furcht vor den Kasteiungen des Glaubens. »Aus Eicheln machten wir Rosenkranzperlen, daß uns die Finger bluteten; ich vergrub meine im Schulgarten, weil ich es für sündig hielt, daß ich so stolz auf sie war.«
Einfach gut zu sein reichte Mia Farrow auch später nicht. Es ging immer noch ein paar Grade härter: Zuerst adoptierte sie ein Mädchen aus Vietnam, später ein älteres Kind, weil es schwieriger unterzubringen war, dann einen behinderten Jungen.
Sie wollte ihren Kindern eine gute Mutter sein und suchte selbst stets einen Ersatz für den Vater, den sie mit 17 verloren hatte. »Wenn er zufällig zu mir hinuntersah, lächelte er manchmal; in solchen Augenblicken versank ich fast in einem so übermächtigen Gefühl von Glück, Dankbarkeit und Liebe, daß ich mir nur eine einzige angemessene Handlung vorstellen konnte: mich dort zu Füßen meines Vaters auf das Pflaster zu legen und ihm mein ganzes sterbliches Ich preiszugeben.«
Yul Brynner nannte sie Dad; Frank Sinatra, der 50 war, als er Mia Farrow heiratete, benutzte das gleiche Rasierwasser wie Mias Vater; Dalí war auch nicht der jüngste; und als sie 1969 André Previn kennenlernte, mußte sie »dauernd daran denken, wie sehr mein Vater ihn gemocht und genossen hätte«. Im zweiten Jahr ihrer Ehe sah sie Previn ganze 15 Tage.
Die Männer in ihrem Leben blieben Mia Farrow auf eine eigentümliche Weise fremd - entrückte Figuren, die in ihren Erinnerungen nur schemenhaft auftauchen.
Die Streifzüge der 17jährigen durch den Partykosmos von New York mit Dalí. Sein Geschenk zu Mias 18. Geburtstag: ein Stück vom Mond. Die stillen Tage in Palm Springs, als sie mit Frank am Pool Kreuzworträtsel löste, bevor sie den saufenden und raufenden Sinatra kennenlernte: »Ich hatte geglaubt, er geht normalerweise um elf ins Bett.«
Nicht selten in Mia Farrows Leben schlich sich die Wirklichkeit »auf Zehenspitzen aus dem Raum«. Öfter jedoch schlich Farrow selbst auf Zehenspitzen durch ihr Leben, nur in losem Bodenkontakt mit der Realität: verhuscht und angstvoll vor den dunklen Abgründen, die sie zu überdecken suchte.
»Ich hasse die Realität, aber wo sonst bekommt man ein gutes Steak«, witzelte Woody Allen. »Rosemary''s Baby« machte aus Mia Farrow einen Star. Seit 1981 spielte sie nur noch für Woody. Sie arrangierten sich - bis die Wirklichkeit sie einholte.
Als sie sich trafen, hatte Mia Farrow sieben Kinder, achtmal die Woche stand sie am Broadway auf der Bühne. Woody Allen hatte einen weißen Rolls Royce und »null Interesse an Kindern«. Sie wohnte auf der West Side von Manhattan, er auf der East Side. Sie liebte das Landleben, er duschte nicht ohne Badematte. Alles war wie in einem Woody-Allen-Film.
In »Hannah und ihre Schwestern« machte Allen tatsächlich das Leben zur Kunst. Mia Farrow fühlte sich damals »geehrt und mißbraucht zugleich«. Woody Allen war schließlich eine »moralisch höherstehende Person«. Im Januar 1992 aber war es mit der Bewunderung vorbei: Woody hat mit ihrer Adoptivtochter Soon-Yi geschlafen.
Jahre »gepflastert mit Lügen": Schuld an ihrem Beziehungsdesaster ist nur er. In ihrer Beweissammlung schildert sie Allen als kalt zu den Kindern, tyrannisch bei der Arbeit, infantil im Alltag. Stück für Stück wird dieselbe schmutzige Wäsche wieder hervorgeholt, die schon in den Prozessen um das Sorgerecht für drei ihrer Kinder ausgebreitet wurde: Kindsmißbrauch als Totschlagargument.
Von Anfang an habe Woody Allen die Adoptivtochter Dylan mit »sexuellem Verhalten« vereinnahmt, im Sommer 1992 soll es zum Mißbrauch der damals Siebenjährigen gekommen sein. Allen wurde nicht angeklagt, darf die Kinder aber nur unter Aufsicht sehen. Farrows Vorwürfe waren im November 1992 schon in vanity fair nachzulesen. Fakten und Fiktion sind darin nur schwer zu trennen. Worum geht es Mia Farrow also?
Seinem Hausblatt, dem new yorker, sagte Allen im Dezember, seine Beziehung zu Soon-Yi sei eine der besten seines Lebens, »wenn nicht die beste«. Mia Farrow dagegen ist überzeugt: Er hat aus »Haß auf mich, auf Frauen, auf Mütter"mit ihrer Tochter geschlafen. Sie will sich freimachen von diesem »Dämon«, der immer noch ihr Leben beherrscht. Mias Exorzismus. Oder in ihren Worten: »Ich werde neue Dinge finden, um die ich mich kümmern kann.«
* Mia Farrow: »Dauer hat, was vergeht«. Gustav Lübbe Verlag,Bergisch-Gladbach; 416 Seiten; 44 Mark.
